Jugend-Trainingscamp des SC RHE

Motel für Boote und Segler – Borgwedel im April

Es gab nur eine Sache, die wirklich schlimm für uns alle war: Burkhards Weckruf! Bis heute hat niemand herausgefunden, was er genau da sang, welche Texte er verwendete und welcher ethnischen Kultur dieses Material entstammte. Zumindest war es so schauerlich, dass es selbst Johannes aus den Federn riss, für den man sonst mindestens zwei Männer braucht, um ihn aus einem Hochbett zu ziehen. Der Autor dieser Zeilen hat keine Kenntnis, wie die einzelnen Teilnehmer daraufhin in die Wäsche gelangten und pünktlich am Frühstückstisch erscheinen konnten. Aber fangen wir doch von vorne an. 22 Erwachsene und Kinder waren am 16. April nach Borgwedel gereist, um auf der Schlei zu segeln. Schon bei der Ankunft war klar, dass das eine frische Sache werden würde. Die Temperaturen waren gegen Abend einstellig, aber der pastellfarbene Himmel und die untergehende Sonne deuteten schon an, dass das Wetter eigentlich recht gut zu werden versprach. Unsere Gruppe bewohnte ein Bettenhaus ganz für sich allein und es gab nicht eine einzige Auseinandersetzung bei der Frage, wer mit wem ein Zimmer teilt, im Hochbett oben oder unten schläft. Aus allen Zimmerfenstern konnte man die abgeladenen Optis auf der Wiese vorm Haus sehen, so dass die Herberge fast wie ein Motel wirkte, nur nicht für Autos und ihre Besitzer, sondern für Boote und ihre Segler. Dass einige, besonders kleinere Teilnehmer in der Kunst des Bettenmachens weniger erfahren sind als der des Auftakelns, braucht sicher nicht erwähnt zu werden. Damit am nächsten Tag aber auch die richtigen Segel zu den richtigen Booten, die richtigen Ruder und Pinnen, Schwämme und so fort zu ihren Besitzern passten, startete Burkhard noch kurz vorm Abendessen eine gigantische Aufräumaktion, die seine Laune zunächst mal nicht zu steigern schien. Sowie sich das Chaos lichtete, wurde die Falte auf seiner Stirn aber immer flacher. Disproportional dazu wuchs der Haufen reparaturbedürftiger Teile, die Burkhard und Tilman sammelten, um sie am nächsten Tag zu bearbeiteten. Beim Abendessen dann wurde das Programm vorgestellt und schon mal in Aussicht gestellt, dass der Samstag ein stürmischer Tag zu werden verspricht. Großartig schmeckte das Essen in der Jugendherberge. Besonders die Älteren erinnern sich noch gut an die Mortadella-Scheiben mit Graubrot, die in Jugendherbergen etwa der Siebziger Jahre zu den kulinarischen Höhepunkten gehörten. Hier gab es nun Salat, Säfte, leckeren Holsteiner Schinken und zwei supernette Köche, die freundlich alles herbeischafften, was sie noch in den letzten Winkeln ihrer Küche fanden. Der Abend klang aus mit einem Beisammensein bei Wein und Bier und Chips und Nüssen, nachdem die Kinder schlafen gegangen waren.

Dann kam die Nacht. Und dann kam der Weckruf. Tilman und Burkhard pflegen klare Minutenangaben zu machen, in deren Rahmen man gekämmt und in Trocken- oder Neopren-Anzügen vor den Booten zu erscheinen hat. Einige der Kleineren waren noch etwas muffelig und brauchten Aufwärmzeit, denn der Wind verhieß, dass es auf dem Wasser sportlich zugehen würde. Toll, wie die Jungtrainer Philip und Ann-Katrin dann die Kinder animierten und betreuten. Es verging nicht viel Zeit, bis die ersten kenterten und sich selbst wieder in Positur brachten. Wie ein Blitz stürmten die Trainer im schicken, orangefarbenen Motorschlauchboot herbei und gaben Tipps. Fantastisch, wie die Kinder ihre Furcht überwanden und mit den erschwerten Bedingungen klarkamen. Nur wenige gaben vor dem Ende der ersten Trainingseinheit auf. Johannes war einer von ihnen, weil er eine Seglergrundregel missachtet hatte und den Zeigefinger über die Bordkante hatte hängen lassen, als das Motorboot zu ihm heranfuhr. Das aber war nur ein kleiner Schaden wie viele andere auch. Bei der dreißigprozentigen Steigung über Kopfsteinpflaster, über die man die Boote dann wieder nach oben auf den Rücken des kleinen Deiches ziehen musste, setzte dann auch mal ein Ruder auf und wurde beschädigt, weil die Kinder vergessen hatten, es vorher herauszuziehen. Tarek hatte Schwierigkeiten, den Mast in sein Boot zu bekommen, was einigen Reparaturaufwand nach sich zog. Kreuzen und Halsen, Wenden und …., der Autor dieser Zeilen schämt sich, weil er nur ein Vater, aber kein Segler ist. Man sehe ihm nach, einige Fachausdrücke falsch und unvollständig zu verwenden. Für ihn bleibt die schlichte Tatsache, dass bei steifer Brise anständig gesegelt wurde und dass alle Kinder mit ihren Booten und nicht schwimmend an die Anlegestelle zurückgekehrt waren. Teilnehmer mit Trockenanzügen waren deutlich im Vorteil. Wer einen Neoprenanzug dabei hatte und ihn zum Mittagessen ablegen musste, hatte das Vergnügen, im Anschluss daran in einen auf gefühlte vier Grad Celsius abgekühlten Anzug zu klettern. Großes Lob allen Kindern, die diese Unbill überstanden und sich so großartig auf dem Wasser bewiesen haben. Am Abend dann gab es ein Volleyballspiel und freies Toben der Kinder ohne die Erwachsenen, bei denen Volkers lederner Volleyball auf welche Weise auch immer ins Wasser gestoßen wurde und nicht mehr gerettet werden konnte. Es war ein hübscher Anblick, bei Bier und Wein und untergehender Sonne den weißen Ball sich immer weiter flussabwärts bewegen zu sehen, bis ihn keiner mehr wahrnahm. Alle beruhigten sich mit der Annahme, dass irgendein Kind ihn am anderen Ufer aus dem Wasser ziehen und sich darüber freuen würde. Am Sonntag dann war das Wetter sehr viel besser. Es wurde wärmer, die Sonne drohte fast, die Gesichter zu röten. Alle Kinder hatten mächtig Spaß, ja einige sangen sogar auf dem Wasser. Burkhard schloss seine Werkstatt, sortierte aus und um, vor und zurück, wobei er große Leidenschaft und Hingabe zeigte, und lobte die Kinder von ganzem Herzen für ihre großartige Leistung. Alles wurde rasch und im Team zusammengepackt und auf die Trailer geladen. Nur ein kleines Malheur verzögerte die Abfahrt, weil einer der Trainer-Anhänger nicht an der Anhängerkupplung saß, riss die Verkabelung der Rücklichtanlage. Und es war fantastisch, wie sich die Männer zusammenfanden und mit Hilfe eines I-Phones und Angaben aus dem Internet den Schaden behoben. Insgesamt bleibt der Eindruck, dass alle Teilnehmer dieses Trainingscamps nun noch mehr zusammengeschmiedet sind und dass alle schon morgen wieder gern gemeinsam auf reisen und aufs Wasser gehen würden.

Helmut Peters

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